Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) - eine marktliberale Lobbyorganisation, die jährlich mit fast sieben Millionen Euro von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie (Gesamtmetall) finanziert wird - trommelt und die "Wirtschaftswoche" veröffentlicht nur wenige Wochen vor der Bundestagswahl eine Sonderausgabe "Wie gerecht ist Deutschland?"
Letztendlich geht es der INSM darum, den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft an den Interessen der Unternehmen auszurichten und das Soziale in der Marktwirtschaft immer weiter zurückzudrängen. So verwundert es auch nicht, dass in besagter aktueller "Wirtschaftswoche" auf den "Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen", der auch im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und FDP im Jahre 2009 festgeschrieben wurde, hingewiesen wird. "Nachtigall, ick hör' Dir trapsen."
Steuergeschenk für 1 Milliarde
Zweifellos gibt es Handlungsbedarf, der sich aber bei der schwarz-gelben Koalition mit der "Möwenpick-Steuer", also der Senkung des Mehrwertsteuersatzes für Beherbergungsleistungen auf sieben Prozent erschöpfte. Dieses Geschenk kostete den Steuerzahler eine Milliarde Euro. Verbraucher oder Beschäftigte gingen allerdings leer aus.Nun hat das Consultingunternehmen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW econ) im Auftrag der INSM berechnet, welche Auswirkungen ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent auf unterschiedliche Haushalte hätte. Fazit der "Wirtschaftswoche": Ein einheitlicher Mehrwertsteuersatz sei gerechter und die zusätzliche Belastung für die Verbraucher quer durch alle Schichten bliebe minimal.
Mehrbelastungen treffen besonders die Schwachen
Die Gewerkschaft NGG hatte vor drei Jahren ebenfalls beim DIW eine Studie zur Mehrwertsteuer in Auftrag gegeben und kam zu dem Ergebnis: "Mehrbelastungen treffen besonders die Schwachen der Gesellschaft". Bei einem Mehrwertsteuersatz von 16 Prozent lägen die Mehrbelastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher bei einem Prozent.Dazu hat der NGG-Vorsitzende Franz-Josef Möllenberg erklärt: "Diese Mehrbelastungen träfen vor allem die Schwachen der Gesellschaft, wie Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen, Renterinnen und Rentner oder Arbeitslose, da einkommensarme Haushalte einen größeren Teil ihres Einkommens für die Mehrwertsteuer ausgeben müssen als einkommensreiche Haushalte."
Mehr Druck auf Produzenten
Darüber hinaus habe die Studie gezeigt, dass der Einzelhandel eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Lebensmittel nicht oder nur zu einem kleinen Teil an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter geben werde. Stattdessen werde sich der Druck auf die Produzenten von Lebensmitteln erhöhen.
„Zu befürchten ist, dass vor allem die Beschäftigten diesen Druck zu spüren bekommen – durch Einsparungen bei den Personalkosten bis hin zum Abbau von Arbeitsplätzen."
Möllenberg mahnte, Vorschläge zur Reform der Mehrwertsteuer besonnen und verantwortungsvoll zu diskutieren. Eine Harmonisierung der Mehrwertsteuer vereinfache gegebenenfalls die Arbeit der Steuerbehörden, belaste aber Verbraucherinnen und Verbraucher und hier vor allem die Einkommensschwachen.
„Das würde die Binnennachfrage zusätzlich belasten, die durch die Ausbreitung von Dumpinglöhnnen bereits unnötig gehemmt ist."