Armutsfeste Löhne für Essenskuriere gefordert: Die bundesweit rund 10.000 Beschäftigten des Marktführers Lieferando sollen künftig einen Stundenlohn von 15 Euro bekommen – und nicht länger, getrieben vom bisherigen Bonus-System, von Auftrag zu Auftrag hetzen müssen. Das will die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in Tarifverhandlungen mit dem Unternehmen durchsetzen. Zum Auftakt der Auseinandersetzung haben an diesem Freitag Lieferando-Beschäftigte aus ganz Deutschland vor der Firmenzentrale in Berlin demonstriert.
„Die Fahrerinnen und Fahrer sind bei jedem Wetter unterwegs und haben in der Pandemie so viel zu tun wie nie. Um den aktuellen, viel zu geringen Stundenlohn von 11 Euro zu übertreffen, müssen die Beschäftigten möglichst viele Bestellungen in möglichst kurzer Zeit ausliefern – was in der Praxis nur die wenigsten schaffen“, sagt Christoph Schink. Der NGG-Referatsleiter für das Gastgewerbe spricht von einem „diskriminierenden System“, das insbesondere Minijob- und Teilzeitkräfte benachteilige. Statt auf prekäre Arbeitsbedingungen solle das Unternehmen auf eine angemessene Bezahlung seiner Mitarbeiter setzen. „Es liegt nun an Lieferando, als Marktführer gemeinsam mit der Gewerkschaft faire Regeln für die Lieferbranche auf den Weg zu bringen“, so Schink. Dazu gehöre auch, künftig Zuschläge für die Arbeit an Feiertagen und Wochenenden zu zahlen. Während an diesen Tagen die meisten Menschen frei hätten, seien Essenskuriere im Dauerstress unterwegs.
Die NGG verweist auf die Geschäftszahlen des Unternehmens. Nach Angaben des niederländischen Mutterkonzerns Just Eat Takeaway steigerte die deutsche Tochter Lieferando ihren Umsatz im ersten Halbjahr vergangenen Jahres auf 284 Millionen Euro – ein Plus von 76 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Der Gewinn erhöhte sich von 58 auf 94 Millionen Euro. „Während der Corona-Pandemie bestellen immer mehr Menschen Essen im Netz. Doch die Kuriere, die die warme Mahlzeit bis vor die Wohnungstür bringen, arbeiten am Limit – zu Löhnen, die zum Leben nicht reichen“, betont Schink. Der von Lieferando kürzlich auf 11 Euro erhöhte Stundensatz sei insbesondere in den Großstädten zu niedrig, um in Zeiten steigender Mieten und Verbraucherpreise über die Runden zu kommen.
Statt Anreize zu schaffen, aus Zeitnot rote Ampeln zu überfahren, solle Lieferando allen Beschäftigten eine faire Bezahlung bieten. Höhere Löhne seien zugleich ein entscheidendes Mittel, um dringend gesuchtes Personal für den stressigen Liefer-Job zu finden, so die NGG. Aktuell verblieben die Fahrerinnen und Fahrer durchschnittlich nur knapp sieben Monate bei Lieferando. Mehr als die Hälfte von ihnen habe lediglich einen Minijob.