Ein Jahr Selbstverpflichtung der deutschen Fleischindustrie
Güster: „Verlässlich und verbindlich sind nur Tarifverträge“Berlin – 28. September 2016
Sechs große Unternehmen der deutschen Fleischwirtschaft* hatten sich unter der Schirmherrschaft von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel vor einem Jahr verpflichtet, Missstände bei ausländischen Werkvertragsbeschäftigten zu beseitigen, sie nach deutschem Recht zu beschäftigen, den Anteil der Stammbelegschaften zu erhöhen und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Zur Bilanz, die heute im Wirtschaftsministerium gezogen wurde, hat Claus-Harald Güster, stellvertretender Vorsitzender der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), erklärt:
„Positiv ist, dass alle Arbeitnehmer bei Dienstleistern nach deutschem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht arbeiten. Das Hauptproblem, die Arbeit in Subunternehmen mit Werkverträgen und Leiharbeit zu verringern, hat – mit Ausnahme von Westfleisch – kein Unternehmen gelöst. Immer noch arbeiten mehr als die Hälfte der Beschäftigten nach eigenen Angaben des VDEW** als Leiharbeiter oder mit Werkverträgen.
Mit Werkverträgen werden seit Jahrzenten nicht nur Spitzen der Produktion abgefangen. Die Ausnahme ist zur Regel geworden. Entstanden ist ein System von Sub- und Subsub-Unternehmen, um Menschen in prekärer Beschäftigung auszubeuten und die Mitbestimmung zu umgehen.
Die Gewerkschaft NGG bietet den Unternehmen – analog Westfleisch – an, die Erhöhung der Stammbelegschaften um jährlich zehn Prozent tarifvertraglich zu regeln. Dies wäre ein Weg, um aus dem System der prekären Beschäftigung auszusteigen und den Menschen im Sinne von guter Arbeit Perspektiven zu bieten. Nur Tarifverträge bieten verlässliche Standards und sind verbindlich. Selbstverpflichtungen sind es nicht.
Der Lackmustest, ob die Unternehmen der Fleischwirtschaft ihrer sozialpolitischen Verantwortung im Sinne ihrer Standortoffensive gerecht werden, wird im Sommer 2017 sein, wenn der Tarifvertrag für den Branchenmindestlohn Fleisch zur Verhandlung auf der Agenda steht.“
*Danish Crown, Heidemark, Lohmann/PHW-Gruppe, Tönnies, Vion, Westfleisch
**VDEW Verband der Ernährungswirtschaft e.V: Erhöhung des Anteils der Stammbelegschaft von 44,8 auf 46 Prozent Quelle: Bericht zur Umsetzung der Selbstverpflichtung der Fleischwirtschaft http://www.vdew-online.de/bericht-zur-umsetzung-der-selbstverpflichtung-in-der-fleischwirtschaft