Zahlen, die beeindrucken: Aktuell gibt es 77.000 gültige Tarifverträge in Deutschland. Pro Jahr werden rund 5.000 neue Tarifverträge geschlossen. Das ergibt eine Bestandsaufnahme der Hans-Böckler-Stiftung. Die Forscher haben sich anlässlich des 70-jährigen Jubiläums des „Tarifvertragsgesetzes“ mit dem deutschen Tarifvertragssystem beschäftigt. Das Gesetz wurde am 9. April 1949 beschlossen und ist damit sogar einige Monate älter als die Bundesrepublik.
Tarifverträge: Nur noch für die Hälfte
Den aktuellen Zustand des Tarifvertragssystems bezeichnen die Wissenschaftler als „nicht zufriedenstellend“. Insbesondere, weil die Reichweite der Tarifverträge seit mehr als zwei Jahrzehnten immer weiter zurückgeht: Mittlerweile sind nur noch rund die Hälfte der Beschäftigten (55 Prozent) und gerade einmal 27 Prozent der Betriebe tarifgebunden. Die Chance, von einem Tarifvertrag zu profitieren, ist besonders gering für Beschäftigte in kleineren Betrieben und in Ostdeutschland.
Kein gutes Haar lassen die Forscher an der Strategie mancher Arbeitgeberverbände, sogenannte OT-Mitgliedschaften, also „Mitgliedschaften ohne Tarifbindung“, zu vergeben. Prof. Dr. Thorsten Schulten: „Die Arbeitgeberstrategie zum Aufbau von OT-Verbänden hat sich als fataler Irrweg erwiesen, der die Erosion des Tarifsystems verstärkt hat.“ Die Vergabe von OT-Mitgliedschaften, zum Beispiel durch den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband, hat in der Vergangenheit auch die NGG immer wieder scharf kritisiert.