Da können die Arbeitgeber noch so sehr über das „Bürokratiemonster“ Arbeitszeiterfassung jammern: Die große Mehrheit der Bevölkerung – 86 Prozent - befürwortet weiterhin den gesetzlichen Mindestlohn. Dies ergab eine Umfrage von infratest dimap im Auftrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB).
Auch wenn mit dem Mindestlohn Preissteigerungen einhergehen: Etwa drei Viertel der Befragten begrüßen es, dass Beschäftigte ihr Einkommen dank Mindestlohn nicht mehr durch Hartz IV aufstocken müssen. Auch die Bundesagentur für Arbeit erwartet einen starken Rückgang der „AufstockerInnen“ und damit weniger Kosten für die Sozialkassen.
18 Prozent der Befragten haben bereits Erfahrungen mit Arbeitgebern gemacht, die versuchen, den Mindestlohn zu umgehen. Drei Prozent erklärten, sie seien selbst betroffen, 15 Prozent, sie hätten davon im Bekanntenkreis gehört.
Von kreativ bis skandalös
Das, was den MitarbeiterInnen der DGB-Mindestlohnhotline (Tel. 0391/4088003) seit dem 1. Januar 2015, also seit der Einführung der gesetzlichen Lohnuntergrenze von 8,50 Euro pro Stunde, über Tricksereien von Arbeitgebern zu Ohren gekommen ist, reicht von kreativ über abenteuerlich bis hin zu dreist und skandalös. Besonders beliebt: das Gutscheinmodell. Um den Differenzbetrag vom früheren, geringeren Lohn zum Mindestlohn auszugleichen, gibt es Gutscheine: je nach Arbeitsort für Solarium, Sauna oder Backwaren.
Oder aber, um ein Beispiel aus dem Gastgewerbe zu nennen, das Trinkgeld wird gesammelt und an alle verteilt, um die 8,50 Euro rechnerisch zu erreichen. Nicht minder beliebt und nicht minder rechtswidrig: Arbeitgeber lassen Minijobbende für das gleiche Geld länger als vorher arbeiten. Und noch ein Beispiel, das von den mittlerweile 8.000 AnruferInnen der Hotline genannt wurde: Beschäftigte in Bäckereien – zumeist Frauen – bekommen die Arbeitszeit fürs Backen vor Ladenöffnung und Reinigen nach Ladenschluss nicht bezahlt, eine unzulässige Praxis, die es allerdings auch schon vor Einführung des Mindestlohns gab.
"Schluss mit den Tricksereien!"
Die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger weiß als Mitglied der neu einberufenen Mindestlohnkommission über viele weitere rechtswidrige Umgehungsversuche zu berichten: „Uns liegt der Arbeitsvertrag eines Pizza-Lieferservice aus Flensburg vor, wo der Stundenlohn vor 2015 bei 4,80 Euro lag. Jetzt sieht der Arbeitsvertrag zwar 8,50 Euro vor, aber er enthält den Zusatz: ‚Mit der Vergütung sind etwaige Überstunden und der Anspruch auf bezahlte Urlaubstage abgegolten‘. Es gibt also weder für Überstunden noch während des Urlaubs Geld. Das ist eindeutig rechtswidrig, genauso wie die unbezahlten Überstunden in Bäckereien, der Lohnabzug für das Benutzen der Messer auf Schlachthöfen oder für die Reinigung vorgeschriebener Arbeitskleidung.
Ich glaube, die Arbeitgeber machen sich nicht so ganz klar, dass hier Geldbußen bis zu 50.000 Euro drohen. Mit diesen Tricksereien muss endlich Schluss sein! Unabdingbare Voraussetzung hierfür ist die Arbeitszeiterfassung bei Minijobs und in den Branchen, die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz genannt werden. Ebenso unerlässlich: die Überprüfung der erfassten Arbeitszeiten durch die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles muss hier standhaft bleiben und jeglichen Versuchen der CSU, die Dokumentationspflicht aufzuweichen, widerstehen!“
NGG hilft
NGG empfiehlt Beschäftigten, auch selbst ihre Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren. Denn wer nachträglich zusätzliche Lohnansprüche gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen will, muss die tatsächlich geleistete Arbeitszeit nachweisen können. NGG hilft dabei mit der „Dokumentation Arbeitszeit“.