NGG und ver.di starten Mindestlohn-Tour durch Deutschland
Mindestlohn: Ohne Ausnahmen! Ohne Schlupfllöcher!Berlin - 9. Mai 2014
Nach Ansicht der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) und der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) ist es höchste Zeit für einen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn auch in Deutschland. „Die Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zum 1. Januar 2015 ist ein großer Fortschritt, ein historischer Erfolg, für den wir zehn Jahre lang gekämpft haben“, sagte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske am Freitag in Berlin. Derzeit erhielten 5,2 Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Stundenlöhne unter 8,50 Euro, rund 1,2 Millionen Menschen sogar nur fünf Euro und weniger. „Das ist arbeitende Armut, mit der jetzt endlich Schluss gemacht wird.“ Allerdings werde der gesetzliche Mindestlohn nach dem Kabinettsentwurf nicht allgemein gelten, sondern durch Ausnahmen durchlöchert. Gegen diese Ausnahmen für Jugendliche unter 18 Jahren und Langzeitarbeitslose in den ersten sechs Monaten wehren sich ver.di und NGG, genauso wie gegen Forderungen von Arbeitgeberverbänden nach weiteren Ausnahmen.
„Ein neuer Niedriglohnsektor durch die Hintertür und die Ausgrenzung einzelner Beschäftigtengruppen müssen verhindert werden“, betonte die NGG-Vorsitzende Michaela Rosenberger. Die Erfahrungen niederländischer Gewerkschaften mit dem Jugendmindestlohn zeigten, dass Arbeitgeber gerade in Dienstleistungsbereichen wie Gastronomie und Handel auf niedrigere Löhne für Jüngere setzten und dadurch ältere Beschäftigte verdrängt würden. Auch Langzeitarbeitslosen soll der Mindestlohn im ersten halben Jahr der Anstellung verweigert werden, angeblich um ihre Beschäftigungsaussichten zu verbessern.
„Nach dieser Logik dürfte es nach zehn Jahren Hartz-Gesetzen gar keine Langzeitarbeitslosen mehr geben – sind Arbeitslose doch seither gezwungen, jede Arbeit bis an die Grenze der Sittenwidrigkeit anzunehmen“, so Bsirske. Dennoch verharre der Sockel derer, die länger als ein Jahr arbeitslos sind, stabil bei über einer Million Arbeitsloser. „Offenkundig hat sich die Langzeitarbeitslosigkeit mit Armutslöhnen nicht bekämpfen lassen, dazu bedarf es anderer Mittel, wie besserer Weiterbildungs- und Bildungsangebote und individueller Hilfen.“
Bundarbeitsministerin Andrea Nahles habe bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs gesagt, der Mindestlohn solle den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, ihre Würde zu wahren. „Würde ist unteilbar, deshalb darf es keine Ausnahmen geben“, unterstrich Rosenberger. Deshalb werden ver.di und NGG noch im Mai mit einer Deutschland-Tour ihrer Mindestlohn-Experten in vielen Städten über die negativen Folgen von Mindestlohn-Ausnahmen informieren und Unterschriften gegen die geplanten Schlupflöcher sammeln.
„Arbeit darf nicht arm machen und nicht entwürdigen“, forderte Bsirske. Deshalb seien die Gewerkschaften derzeit dabei, ein breites Bündnis mit anderen gesellschaftlichen Gruppen, zum Beispiel mit Wohlfahrtsverbänden und mit Arbeitslosen-Initiativen zu schmieden, um in den kommenden Monaten mit Öffentlichkeitsarbeit und Aktionen in vielen Städten Druck für einen gesetzlichen Mindestlohn ohne Ausnahmen und Schlupflöcher zu machen.