Die Beschäftigten im Gastgewerbe haben genug. Das ist das Ergebnis der im Auftrag der Gewerkschaft NGG und der Hans-Böckler-Stiftung erstellen, und gestern in Berlin vorgestellten Studie „Branchenanalyse Gastgewerbe: Beschäftigungsentwicklung, Arbeitsbedingungen und Perspektiven vor dem Hintergrund von Corona und Mindestlohn“. Darin geben mehr als ein Drittel (34 Prozent) der befragten Beschäftigten an, dass sie sich keine Zukunft in der Branche vorstellen können. Ein weiteres knappes Drittel (29 Prozent) sind sich nicht sicher. Die Gründe für den Frust sind vielfältig und gravierend: 80 Prozent der Befragten gaben an, dass sie zu wenig Lohn erhalten. Aber auch die hohe Belastung durch die Arbeit trägt dazu bei, dass viele Beschäftigte in andere Berufe wechseln. Je 57 Prozent der Befragten gaben an, dass sie sich aufgrund der psychischen Belastung nicht vorstellen können, noch lange im Gastgewerbe zu arbeiten und dass die Arbeitszeiten mit dem Privatleben nicht vereinbar seien. 55 Prozent kritisierten zudem, dass die Arbeitszeiten nicht familienfreundlich seien.
Wer in den letzten Monaten aufmerksam durch die deutschen Innenstädte gegangen ist, den werden diese Ergebnisse nicht überraschen. An fast jedem Restaurant, an vielen Cafés und Hotels hängen Zettel, auf denen dringend nach Personal gesucht wird. Alleine während der Corona-Pandemie haben mehr als 300.000 Menschen die Branche verlassen. Katrin Schmid, eine der Autorinnen der neuen Studie, erklärte dazu: „Vor der Corona-Pandemie gab es die erfreuliche Entwicklung, dass erstmals seit Jahren die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Stellen in der Branche stärker gewachsen war als die Zahl der prekären Minijobs. Seit Corona hat sich dieser Trend allerdings wieder umgekehrt: Fast zwei Drittel des jüngsten Beschäftigungszuwachses entfallen auf Minijobs. Mit Blick auf die Attraktivität der Branche ist das eine klare Fehlentwicklung.“
Um diese Fehlentwicklung zu korrigieren, fordert die Gewerkschaft NGG von der Branche eine deutliche Kurskorrektur. „Durch die Branche muss jetzt ein Ruck gehen. Das Gastgewerbe braucht den Neustart: Die Löhne müssen rauf, die Arbeitszeiten runter. Tarifverträge müssen endlich für alle gelten. Die Zeiten der Ausbeutung sind vorbei – wenn dieses Signal ausbleibt, werden wir wegen Personalmangels in Zukunft noch öfter vor geschlossenen Türen stehen. Mit einer Ausbildung in der Tasche müssen angehende Köchinnen und Restaurant- oder Hotelfachleute zum Start mit mindestens 3.000 Euro brutto rechnen können“, sagt Guido Zeitler, Vorsitzender der Gewerkschaft NGG.
Diese Einschätzung bestätigten bei der anschließenden Diskussionsveranstaltung auch die anwesenden rund 30 Betriebsrät*innen. Sie berichteten den eingeladenen Politiker*innen (gekommen waren Pascal Meiser, Die Linke, Lena Werner, SDP, Stefan Schmidt, Die Grünen und Anna Karliczek, CDU) aus der Praxis und korrigierten dabei so manche Einschätzungen der Bundestagsabgeordneten.