Die einigkeit ist das Mitgliedermagazin der NGG. Sie erscheint vierteljährlich in einer Print-Auflage von 200.0000 Exemplaren, in einer eigenen App und online als pdf. Schwerpunkt der neuen Ausgabe ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit von Frauen. Mit der Initiative Lohngerechtigkeit will die Gewerkschaft NGG das Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Bündnis 90/Die Grünen) hat jüngst die Schirmherrschaft für die Initiative übernommen. Im Interview erläutert Lisa Paus, warum sie unsere Initiative so einzigartig findet, wie es überhaupt zur Lohnlücke kommt und was sie als Ministerin tun will, um die Lohnlücke zu schließen. Viel Spaß beim Lesen!
Einigkeit: Frau Ministerin, gleiche Arbeit gleiche Entlohnung, egal ob Mann oder Frau. So sieht es der Gesetzgeber. Trotzdem verdienen Frauen immer noch im Durchschnitt 18 Prozent weniger als Männer. Wie geht es Ihnen damit, gerade jetzt in ihrer neuen Position als Bundesfrauenministerin?
Lisa Paus: Das ärgert mich doppelt, weil es auch doppelt ungerecht ist: Frauen verdienen im Durchschnitt immer noch weniger als ihre männlichen Kollegen, müssen aber oft gleichzeitig mehr leisten, um in Führungspositionen zu kommen. Als Bundesfrauenministerin setze ich mich deshalb für eine gleichstellungsorientierte Arbeits- und Familienpolitik ein. Wir brauchen mehr Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt.
E: Es freut uns, dass Sie die Schirmherrschaft der NGG Initiative Lohngerechtigkeit übernommen haben. Was hat Sie dazu bewogen?
LP: Ganz einfach: Die Kampagne ist einzigartig. Ich höre oft: „Tarifverträge schützen vor Entgeltungleichheit. Alle bezahlen gleich.“ Der Verdienstunterschied ist auch tatsächlich geringer, wenn Tarifverträge greifen, aber oft ist er immer noch da. Tarifverträge können diskriminierend wirken, zum Beispiel, wenn Tätigkeitsbeschreibungen nicht vollständig oder auch veraltet sind. Ich freue mich daher, dass die NGG ihre Verträge überprüfen und gegebenenfalls nachbessern will.
E: Was können Sie als Ministerin noch tun, damit die Lohnschere endlich deutlich kleiner wird oder sich vielleicht sogar ganz schließt?
LP: Die Entgeltlücke hat sehr unterschiedliche und komplexe Ursachen. Wir brauchen daher auch verschiedene Stellschrauben, um die Lücke zu schließen. Eine entscheidende Voraussetzung ist die faire Verteilung von Sorge- und Erwerbsarbeit. Der Koalitionsvertrag sieht unter anderem vor, eine zweiwöchige vergütete Freistellung nach der Geburt des Kindes für den Partner oder die Partnerin einzuführen und den elternzeitbedingten Kündigungsschutz zu verlängern. Außerdem unterstützen wir den Ausbau der Kinderbetreuung in Kitas und Grundschulen in den nächsten beiden Jahren mit insgesamt vier Milliarden Euro. Für eine geschlechtergerechte Gesellschaft braucht es aber mehr, daher werden wir auch das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und uns weiterhin für die Förderung von Frauen in Führungspositionen einsetzen. Es gibt also genug zu tun!
E: Eine Ursache der unfairen Bezahlung von Frauen liegt auch in den Steuerklassen III und V. Die Bundesregierung hat sich per Koalitionsvertrag darauf geeinigt, das zu ändern. Wie sehen Sie die Chancen, hier wirklich grundlegend Verbesserungen auf den Weg zu bringen?
LP: Im nächsten Jahr werden wir da einen wichtigen Schritt machen: Wir wollen die Kombination aus den Steuerklassen III und IV in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV überführen und damit die monatliche Steuerlast zwischen den Ehepartnern gerechter verteilen. Für die Umsetzung ist der Bundesfinanzminister zuständig, mein Ziel ist es, sie bis Ende 2023 abzuschließen.
E: Auch das Entgelttransparenz- und das Führungspositionengesetz zeigen deutliche Schwächen in der Umsetzung. Plant Ihr Ministerium Nachbesserungen?
LP: Beim Thema Führungspositionen haben wir schon Erfolge. Wegen des zweiten Führungspositionengesetzes müssen börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen seit August dieses Jahres mindestens eine Frau in den Vorstand berufen, wenn der aus mehr als drei Personen besteht. Wir werden die Umsetzung und die Wirkung des Gesetzes mit einem engmaschigen Monitoring begleiten. Beim Entgelttransparenzgesetz läuft gerade die zweite Evaluation, die auch Handlungsempfehlungen erarbeiten soll. Das wird spannend.
E: Der Koalitionsvertrag hat der Bundesregierung eine ressortübergreifende Gleichstellungsstrategie auferlegt. Über einen „Gleichstellungscheck“ sollen alle Maßnahmen und Gesetze überprüft werden. Ist das erste Gesetz schon gleichstellungsgecheckt worden?
LP: Bereits jetzt gilt die Vereinbarung, dass die Ministerien für jedes Gesetz prüfen, wie die Gleichstellung gefördert werden kann. Das passiert mal mehr, mal weniger intensiv. Ich will mehr Verbindlichkeit und eine durchgängige Anwendung – mit Unterstützung der Ressorts. Erstmal aber werden wir die derzeit laufenden Gesetzesentwürfe auf ihre Gleichstellungswirkung hin überprüfen. Dafür haben wir jetzt Kapazitäten geschaffen.
E: Ist sich die Ampel im Gleichstellungscheck einig oder gucken die Parteien da unterschiedlich drauf?
LP: Der Gleichstellungs-Check steht im Koalitionsvertrag und den haben die drei Ampelparteien unterschrieben. Der Check bezieht sich vor allem auf das Handeln der Exekutive. Es wird sicherlich Diskussionen geben, wenn wir da konkrete Vorschläge vorlegen. Aber ich gehe davon aus, dass wir uns am Schluss einig werden.
E: Um eine faire Verteilung der Care-Arbeit zu erreichen, brauchen wir unter anderem auch eine breitere Diskussion über neue Arbeitszeitmodelle und eine gerechtere Lohnpolitik. Wie erreichen wir diese?
LP: Die Bundesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu stärken. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, die Partnermonate beim Elterngeld um mindestens einen Monat zu erweitern und eine zweiwöchige bezahlte Auszeit nach der Geburt für den Partner oder die Partnerin der Mutter einführen. Außerdem soll der Kündigungsschutz um drei Monate verlängert werden, damit Mütter und Väter nach ihrer Rückkehr aus der Elternzeit abgesichert sind. Das sind wichtige Schritte, denn viele Eltern wünschen sich eine partnerschaftliche Aufgabenteilung und während viele Frauen in Teilzeit gerne mehr arbeiten würden, wünschen sich viele Väter mehr Zeit für die Familie.
E: Welche Rolle hätten dabei die Arbeitgeber?
LP: Arbeitgeber in Deutschland haben schon seit längerem massive Schwierigkeiten, Fachkräfte zu finden. Es ist daher auch in ihrem Interesse, durch flexible und attraktive Arbeitsangebote neues Personal zu gewinnen und vorhandenes Personal zu binden. Es liegt doch auf der Hand, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zufriedener und produktiver sind, wenn sie sich vom Arbeitgeber wertgeschätzt und unterstützt fühlen. Flexible, vollzeitnahe Arbeitszeitmodelle leisten einen wichtigen Beitrag, gerade Frauen als Beschäftigte zu gewinnen.