Die Empörung war riesig: Im Frühjahr haben große Corona-Ausbrüche in deutschen Schlacht- und Zerlegebetrieben der breiten Öffentlichkeit die oft schlimmen Arbeitsbedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft vor Augen geführt. Es folgten viele schöne Worte und Absichtserklärungen. In der skandalumwitterten Fleischbranche sollte aufgeräumt werden. Wichtigster Baustein: Ein neues Gesetz. Das Arbeitsschutzkontrollgesetz soll Leiharbeit und Werkverträge in der Fleischwirtschaft künftig unmöglich machen. Diejenigen, die in Deutschlands Fleischkonzernen schuften, sollen endlich wieder direkt - ohne Umwege über dubiose Subunternehmen - bei denen angestellt sein, die mit ihrer harten Arbeit gutes Geld verdienen.
Das Gesetz wäre ein Meilenstein auf dem Weg zu ordentlichen Bedingungen in der deutschen Fleischwirtschaft. Ob die wirklich kommen, steht allerdings in den Sternen. Der Gesetzgebungsprozess ist ins Stocken geraten.
Die Fleischlobby hat aufgefahren
Zuletzt war auf Betreiben von CDU/CSU die Beratung über das Arbeitsschutzkontrollgesetz von der Tagesordnung des Bundestags verschwunden. Hinter den Kulissen wird weiter zwischen den Mitgliedern der Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD um die Zukunft des Gesetzes gerungen. Ob es wie geplant zum 1. Januar 2021 in Kraft treten kann, ist unklar. Ebenso unklar ist, ob das Gesetz dann noch seinen Zweck erfüllen kann: Es droht die Gefahr, dass das Arbeitsschutzkontrollgesetz weichgespült, durchwässert und zum zahnlosen Tiger wird.
Freddy Adjan, stellvertretender Vorsitzender der NGG: "Wie erwartet, hat die Fleischlobby in den vergangenen Monaten alles aufgefahren. Und wie befürchtet, ist sie mit ihren Scheinargumenten bei einigen Abgeordneten durchgedrungen."
Für die NGG ist glasklar: Das Arbeitschutzkontrollgesetz muss eins zu eins umgesetzt werden. Nur dann - also inklusive des Verbotes von Werkverträgen und Leiharbeit - kann es volle Wirkung entfallen. Die "Argumente", die jetzt den Interessen der Fleischwirtschaft besonders zugewandte Politikerinnen und Politikern wie Gitta Connemann (CDU) und Max Straubinger (CSU) vortragen, sind vorgeschoben. Und sie klingen, wie frisch aus dem Handbuch der Fleischlobby entnommen. Fleischkonzerne bräuchten die Leiharbeit, um saisonale Spitzen abzudecken. Die dringend nötige Flexibiltät müsse bewahrt bleiben, um den Wünschen der Kunden zu entsprechen. Ohne Leiharbeit müsste die Fleischproduktion aus Deutschland abwandern.
Saison von Januar bis Dezember?
Freddy Adjan: "Wer dieser Branche immer noch Vertrauen schenkt, hat den Schuss nicht gehört. Glaubt man den Äußerungen der Fleischbarone, dann dauert die Grillsaison von Januar bis Dezember." Tatsächlich ließen sich etwa mögliche Produktionsspitzen - wie in allen anderen Branchen der Lebensmittelwirschaft üblich - auch in der Fleischwirtschaft mit Arbeitszeitkonten und ähnlichen Modellen abfangen.
Es bleibt abzuwarten, ob den schönen Worten aus dem Frühjahr doch noch Taten folgen. Oder, ob die Fleischlobby einmal mehr ganze Arbeit geleistet hat und das geplante Gesetz dank ihres Engagements so durchlöchert wird, dass in der Fleischwirtschaft der Ausbeutung weiterhin Tür und Tor offen stehen.