Schichtarbeit macht krank, Nachtschicht im besonderen Maße. Das sind keine Neuigkeiten. Was aber hat das mit der Rente zu tun? Was machen Beschäftigte, die es gesundheitlich nicht schaffen, bis zum gesetzlichen Renteneintrittsalter zu arbeiten?
Im Rahmen der Anfang April 2019 gestarteten Zukunftsdialoge vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) und seiner Mitgliedsgewerkschaften hatte der DGB-Bezirk Leipzig-Nordsachsen eingeladen. 20 ehren- und hauptamtliche Kolleginnen und Kollegen, unter anderem aus der NGG, waren der Einladung gefolgt und diskutierten am 3. April in Leipzig mit Annelie Buntenbach, Mitglied im Geschäftsführenden DGB-Vorstand.
Viele mittelständische Unternehmen ohne Tarifverträge
Die Situation in Leipzig ist an vielen Stellen bescheiden. Auf der einen Seite gibt es die großen, gut organisierten Unternehmen mit Betriebsräten, Tarifverträgen, Regelungen zu betrieblicher Altersvorsorge. „Aber das ist nicht das ganze Bild. Stellvertretend für die Republik ist, dass wir hier viele mittelständische Unternehmen ohne Tarifverträge haben“, sagte Jörg Most, Geschäftsführer der NGG-Region Leipzig-Halle-Dessau. Erschwerend wirkt das noch immer bestehende Lohngefälle zwischen West- und Ostdeutschland. Viele Beschäftigte gehen nach Jahrzehnten im Job zu einem niedrigen Einkommen mit Abschlägen in den Ruhestand. Sie sehen sich häufig vor der Situation, dass die Rente nicht reicht und nur der Gang zum Sozialamt bleibt.
„Wie kann eine Rentenpolitik aussehen, die nicht am Ende in den sozialen Absturz führt?“, ist für Annelie Buntenbach die zentrale Frage in der herrschenden Rentendiskussion. Sie ist für die Gewerkschaften und Sozialverbände Mitglied der Rentenkommission, die bis 2020 Vorschläge zur Zukunft der gesetzlichen Rente nach 2025 vorlegen will. Die Rentenpolitik ist das eine. Doch es geht auch um das, was vor der Rente kommt: die Gestaltung von guter Arbeit.
„Bei uns gibt es kaum einen ohne gesundheitliche Probleme“
„Die Kolleginnen und Kollegen kämpfen oft ums nackte Überleben“, sagte ein Betriebsrat aus einem Leipziger Cateringunternehmen. Durch die regelmäßige Neuvergabe von Aufträgen stünden die Beschäftigten immer wieder vor der Situation, dass sie sich auf neue Bedingungen und neue Strukturen einstellen müssten. Das falle besonders älteren Kolleginnen und Kollegen nicht immer leicht. Sie werde von vielen älteren Kolleginnen und Kollegen gefragt, wie sie aus der Schichtarbeit aussteigen können, besonders aus der Nachtschicht, sagte eine Betriebsrätin aus einem Logistikunternehmen. „Bei uns gibt es kaum einen ohne gesundheitliche Probleme.“ Doch oft können Betriebsräte wenig tun, wenn der Arbeitgeber zu seinem Angestellten sagt: „Du hast einen 40-Stunden-Vertrag im Dreischichtbetrieb unterschrieben. Basta!“
Der Anteil an Schichtarbeit hat in den letzen 20 Jahren hierzulande stark zugenommen. Das betrifft auch die Ernährungswirtschaft und ist ein hart umstrittenes Thema. Beispielsweise hatte der Coca-Cola-Konzern in den laufenden Entgelttarifverhandlungen die Flexibilisierung der Arbeitszeiten – konkret die Ausweitung der Schichtarbeit in den Sonntag hinein – zur Bedingung für ein verbessertes Angebot gemacht. Die NGG nannte die Forderung „Erpressung“ und „unverschämt“.
"Wir brauchen wir eine Ausweitung von geförderten, flexiblen Übergängen in den Ruhestand"
Die Betriebsratsvorsitzende aus dem Leipziger Cateringunternehmen sagte: „Wir haben einen Tarifvertrag mit einem Einstiegsgehalt von unter zehn Euro. Dazu sind 50 Prozent der Beschäftigten in Teilzeit. Die Rente mit 63 haben nach der Einführung viele genutzt, viele aber auch nicht, weil sie dann nicht mit ihrer Rente klargekommen wären.“ „Die gesetzliche Rente ist noch immer die zentrale Säule in der Alterssicherung. Die Menschen können die Lücken, die mit den Rentenreformen seit 2001 gerissen wurden, nicht mit privater Vorsorge auffüllen“, sagte Annelie Buntenbach. „Wir brauchen hier deutliche Verbesserungen.“ Es müsse unter anderem gesetzliche Regelungen geben, wenn Menschen aus der Nachtschicht aussteigen wollen oder Tariftreueregelungen beispielsweise bei der öffentlichen Auftragsvergabe. Jörg Most betonte, es müsse auch einen vereinfachten Zugang zur Erwerbsminderungsrente für diejenigen geben, die gesundheitlich nicht mehr in der Lage sind zu arbeiten. „Zudem brauchen wir eine Ausweitung von geförderten, flexiblen Übergängen in den Ruhestand wie der Altersteilzeit.“
Informationen zu den Zukunftsdialogen unter www.redenwirueber.de , weitere Infos: www.rentenkommission.de
Die NGG unterstützt die Online-Petition des DGB für eine Grundrente.
Autor: Jörg Meyer