Der Widerstand gegen TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership), das geplante Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union, wächst. Erst recht, seitdem klar ist, dass CETA, ein ähnliches Abkommen zwischen der EU und Kanada, das Ende September 2014 ratifiziert werden soll, Bürgerrechte gefährden könnte.
"Schattenjustiz für Konzerne" befürchtet
In CETA sind Investitionsschutzklauseln für Unternehmen enthalten, die auch beim US-Abkommen geplant sind. Diese räumen kanadischen Konzernen das Recht ein, vor internationalen Schiedsgerichten gegen einen EU-Staat zu klagen, wann immer sie ihre „legitimen Erwartungen“ auf Profit geschmälert sehen. Gegner des Abkommens befürchten, dass damit eine „Schattenjustiz für Konzerne“ aufgebaut werde und Unternehmen bei unliebsamen Regierungsentscheidungen oder Gesetzen zum Umweltschutz, Verbraucherschutz, zur Sozialpolitik oder auch zum Mindestlohn Staaten mit Milliardenklagen überziehen könnten.
Auch das deutsche Rechtssystem könne damit quasi ausgehebelt werden. Ein Beispiel für das Beschreiten diesen parallelen Rechtswegs, also über ein Schiedsgericht, ist Vattenfall: Unter Berufung auf die europäische Energiecharta von 1994 verklagt der schwedische Energiekonzern die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs auf einen Schadenersatz von 3,7 Milliarden Euro. Diese Fälle könnten sich häufen, so die Befürchtung, denn mit CETA und TTIP bekämen etwa 75.000 Konzerne auf beiden Seiten des Atlantiks ein Klagerecht eingeräumt. Weitere Kritikpunkte sind, dass die beklagten Staaten nicht in Revision gehen können und die Verhandlungen nicht öffentlich sein müssen, wenn „legitime Geschäftsinteressen“ für eine Geheimhaltung sprechen.
DGB-Gewerkschaften sehen TTIP und CETA kritisch
Auch die DGB-Gewerkschaften sehen TTIP und CETA kritisch. Sie fordern vor allem drei Kurskorrekturen: keine Verhandlungen hinter verschlossenen Türen, kein Investitionsschutz und kein Abbau von Arbeits-, Umwelt-, Verbraucher- und Sozialstandards. Gemeinsam mit Nichtregierungsorganisationen haben die Gewerkschaften Druck gemacht und mit dafür gesorgt, dass die Bundesregierung, namentlich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel, zumindest dem Investitionsschutz eher ablehnend gegenübersteht - im Gegensatz zu anderen EU-Regierungen.
Wozu das Ganze?
Bevor über das „Wie?“ eines solchen Abkommens diskutiert wird, sollte vielleicht zunächst die Frage des „Warum?“ oder besser noch „Wozu das Ganze?“ geklärt werden. TTIP soll den beteiligten Staaten zu mehr Wohlstand verhelfen. Was den Güteraustausch jedoch viel stärker erschwert als Zölle oder ähnliche Wettbewerbshemmnisse, sind die Währungsschwankungen zwischen Euro und Dollar, wie eine Untersuchung des britischen Centre for Economic Policy Research ergeben hat (s. "Böcklerimpuls" 6/2014).
Danach würde das geplante Freihandelsabkommen die Wirtschaftsleistung dies- und jenseits des Atlantik um weniger als einen Prozentpunkt ansteigen lassen – über mehr als zehn Jahre verteilt. Praktisch sei der Einfluss auf das Wirtschaftswachstum also zu vernachlässigen, weil die Zollschranken zwischen USA und EU schon heute recht niedrig sind. Zudem hatten 2012 nur gut 17 Prozent aller Exportgüter, die die Europäische Union verließen, das Ziel USA. Also, wozu das Ganze?
Handelspolitik neu ausrichten!
Der DGB-Bundeskongress hat hierzu im Mai 2014 beschlossen: „Aus Sicht des DGB und seiner Mitgliedsgewerkschaften könnten Handelsgespräche zwischen der EU und den USA dann Vorteile bringen, wenn sie dazu genutzt werden, eine grundsätzlich neue Ausrichtung der Handelspolitik voranzutreiben, die auch globale Standards für eine gerechte Gestaltung der Globalisierung setzt. Es muss dabei darum gehen, zusätzlichen Wohlstand breiten Bevölkerungsschichten zukommen zu lassen, wirtschaftliche, soziale und ökologische Standards zu verbessern sowie faire Wettbewerbs- und gute Arbeitsbedingungen zu schaffen.“
Verbesserungsbedarf sieht der DGB hier beispielsweise bei den acht grundlegenden Kernarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation (engl. ILO): Sechs davon haben die USA nicht ratifiziert, darunter die für Gewerkschaften so bedeutenden Konventionen zur Vereinigungsfreiheit und zum Recht auf Kollektivverhandlungen. Immer wieder werde aus den USA von einer Behinderung gewerkschaftlicher Aktivitäten berichtet. Einige US-Bundesstaaten scheinen tendenziell anti-gewerkschaftliche Gesetze als Standortvorteil zu betrachten. Aufgrund dieser und weiterer im DGB-Beschluss nachzulesender Kritikpunkte wie etwa der mit TTIP angestrebten Liberalisierung der Dienstleistungsmärkte sprechen sich die DGB-Gewerkschaften dafür aus, die bisherigen TTIP-Verhandlungen auszusetzen und ihnen eine andere Zielsetzung zu geben.
Lesenswert: TTIP-Dossier des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB)